ehemals Reh`s, zwischenzeitlich STALAG, später Galvanik

Die Färberei, Bleicherei + Appretur ARNO REH war hervorgegangen aus der Seiden & Baumwollen-Färberei Gustav Lehmann, Ecke Untere Hauptstraße und Ziegelstraße.

Im Jahr 1855 brachte Friedrich Wilhelm Ullmann, der am 22. Februar 1825 in Thum geboren wurde, die Schwarz- und Schönfärberei in unser Dorf. Seine Wohnung und Färberei hatte er beim alten Vater des Klempnermeisters Theodor Dietrich. Dort hat er im Schuppen gefärbt, die Stücke im Dorfbach gespült. Von hier aus hatte er 1863 die Färberei gegründet, die nach ihm Gustav Lehmann als Seiden- Baum- und Wollenfärberei weiterführte.
Arno Reh, geb. 1868 im Erzgebirge, dessen Vater schon eine Bleicherei besessen hatte, war etwa 7 Jahre in Wien als Färbermeister tätig gewesen, wo auch seine 3 Kinder geboren wurden.
Er erwarb am 01.06.1900 das Lehmann´sche Anwesen, welches aus Altersgründen vakant war zu Beginn des Jahrhunderts und kaufte auch das Areal Ziegelstraße 2 hinzu. Dort wurden Wohnungen für Betriebsangehörige gebaut und wurde der Pferdefuhrpark untergebracht.
Im September 1902 meldete Arno Reh die Bauvollendung bei der Gemeinde an. Da es noch keine öffentliche Wasserversorgung gab, baute die Färberei Arno Reh zwei Tiefbrunnen, einen im Firmengelände und den zweiten im Gelände Ziegelstraße 2. Hier waren Pferdeställe und Wagen sowie Wohnungen für Betriebsangehörige untergebracht (heute Autowerkstatt Hampel).
Eine Kläranlage wurde 1913 errichtet. Die Villa Ziegelstraße 3 bezog die Familie 1913, bis dahin wohnte man im Haus 64 unmittelbar am Bach, das heute noch steht. Das bachaufwärts gelegene sogenannte „Berghaus“ wurde 1930 abgerissen (heute Flachbauten). Das Bauerngut oberhalb von „Butter-Schönfelds“ wurde zeitweise von Martha Schüppel-Reh (Großmutter) und einer Ihrer Halbbrüter bewirtschaftet und ca. 1920 an den Pächter Bauer Rudolph.
Ein Teilgrundstück mit Obstgarten und Windrad, neben dem Viertelsteich an der Leipziger Straße gelegen, das sogenannte „Landhaus Rehgehege“ bezog Familie Karl Reh (Komplementär) 1928. Im Gelände daneben, Leipziger Straße 43 und 47, entstanden Werkswohnungen.


Karl Reh war ein begeisterter Fotograf und Filmer, so dass wir ihm sehr umfangreiche Fotosammlungen und Filme verdanken, die noch ausführlicher im Heimatmuseum zu sehen sind.
Ende 1914 brannten große Teile der Fabrik aus und schon 1915 wurde das weithin sichtbare große Gebäude errichtet. Der Anschluss an die öffentliche Schleuse erfolgte 1933.
Ein Brand verwüstete den Großteil der Werksräume, aber 1915 stand der `Neubau`, das kompakte Fabrikgebäude Ziegelstraße 1, dazu das seinerzeit hochmoderne Dampfturbinenhaus.

Nachfolgende Bilder, aufgenommen von Karl Reh, zeigen den Arbeitsalltag im Unternehmen.














1938 wurde die Villa Ziegelstraße 3 umgebaut mit Wohnungen für Werksangehörige, 1939 erfolgte die Fertigstellung des großen „Süd-Fabrikanbaus“.












Stalag IV F
Während des 2. Weltkrieges wurde seitens des Staates der Färbereibetrieb stillgelegt, der gesamte Komplex Ziegelstraße 1 und 3 zwangsabgemietet und das Gefangenenlager Stalag VI F eingerichtet. Dieses war kein Straflager, es gab sogar ein Orchester und eine Bücherei.
Von Hartmannsdorf aus wurden ca. 48 500 Kriegsgefangene in Sachsen verwaltet
Die größten Außenlager waren
- Flughafen Altenburg –Nobitz
- Lager Torgau
- Lager Ehrenfriedersdorf
- Straflager war Festung Königstein und Krautenz (bei Markleeberg)
Die Kriegsgefangenen, die im Ort arbeiten mussten, waren im Hauptsitz der STRALAG F IV (Fa. Reh) untergebracht und wurden anfangs unter Bewachung zur Arbeitsstätte geholt, diese Regelung entfiel aber später. Sie erhielten auch Lebensmittelkarten und Lagergeld. Für die Arbeit hatten sie eine Arbeitsuniform und eine Ausgehuniform für sonntags.
Sonntags war arbeitsfrei, im Sommer durften sie am Sonntagvormittag das Freibad benutzen, das für diese Zeit reserviert war, nachmittags durfte eine dafür vorgesehene Gaststätte besucht werden (Gaststätte „Zum Wind“), etwas außerhalb gelegen, Deutsche hatten in dieser Zeit keinen Zutritt. Am Sonntagabend war ein Besuch des improvisierten Theatersaales im Obergeschoss der Fa. Reh möglich, wo Auftritte der Theatergruppe (alles französische Kriegsgefangene) der eigenen Kapelle oder anderer kulturelle Veranstaltungen stattfanden.

Im Hauptsitz des Stammlagers IV (Fa. Reh) befand sich neben Unterkünften auch die Verwaltung ein Magazin und die Paketverteilungsstelle für die vom französischen Roten Kreuz ankommenden Pakete und privat verschickten Pakete für die Kriegsgefangenen. Es kamen täglich ca. ein bis zwei Waggons Paketsendungen für die Kriegsgefangenen des gesamten STRALAG IV am Bahnhof Hartmannsdorf an.
Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 14. April 1945 erhielten die ehemaligen Kriegsgefangenen die langersehnte Freiheit und konnten die Heimreise antreten.
Nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem Kriege wurde die Ziegelstraße 3 zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut und kam Ende der 60-er Jahre in andere Hände, ohne Vorteil für die Immobilie.
In den Jahren 1946 -1950 nahm die Färberei in bescheidenen Maße im Mitteltrakt den Betrieb mit Umfärben von Uniformen usw. wieder auf.
Im großen Fabrikgebäude bauten sich infolge der allgemeinen Wohnungsnot ab 1947 verschiedene Familien aus eigene Kosten in den oberen Etagen Wohnungen ein (u. a. Doerfert, Armin, Franzke Herbert, Schütze Kurt, Hollek, Matuschek, Linnemann Fritz, Fuchs).
Das Kurhaus „Jungborn – Baden, Massagen etc.
Eine Besonderheit gab es in der Ziegelstraße 1 mit dem Kurhaus „Jungborn“. Wohl bereits vor dem Krieg gab es für Hartmannsdorfer Einwohner, welche kein eigenes Bad mit Badewanne oder Dusche hatten, wohl die Möglichkeit, im Gebäude Ziegelstraße 1 baden zu gehen, wofür leider aber keine Nachweise vorhanden sind. in den 50`er Jahren gab es dann das Kurhaus „Jungborn, welches Bäder, Massagen, Bestrahlungen und sonstige Behandlungen anbot. Betrieben wurde es von Herrn Franke (1947-1959).

Nach 1945 siedelten sich verschiedene kleinere und größere Betriebe im Gebäude und Gelände der Fa. Reh an. Zunächst wurden Kohleanzünder hergestellt, dann Rasierklingen durch die Firma Erwin Ahnert (staatlich verwaltet durch Otto Nagel) geschliffen.
Es folgten u.a. die Firmen
- Oberon Schmidt, Strumpffabrik (1946 bis ca. 1953)
- Hermann Frieden, Galvanik und Poliererei

- Rudolf Weiss, Stickerei (später Obere Hauptstraße)
- Ernst Schmidt, Kfz-Reparatur und Jawa-Vertragswerkstatt
- Kaltverformungsfabrik Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt)
- Drahtziehmaschinenfabrik Grüna
- Fa. Uhlig, Galvanik und Poliererei
Auf Grund der Gegebenheiten fiel das gesamte Anwesen (Fabrik) 1977 durch begründete Erbausschlagung an den Staat DDR.

Nach der Wende waren immer noch verschiedene Firmen im Gesamtkomplex ansässig, der Leerstand nahm aber immer weiter zu, ebenso der Verfall der Gebäude.
Der Abriss 2017


